Die Postwachstums-Wende: Wie die Donut Ökonomie 2025 zur Bauanleitung für zukunftsfähige Städte wird

Das Kernprinzip: Der „sichere und gerechte Raum“

Das Doughnut-Modell (engl. Doughnut Economics) visualisiert das Ziel einer florierenden Wirtschaft als einen „sicheren und gerechten Raum für die Menschheit“. Dieser Raum liegt zwischen zwei entscheidenden Grenzen:

Donut Ökonomie_Wikipedia

Abbildung Wikipedia, von Wano2011 – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0

1.Die innere Grenze (das Loch im Donut)- Das soziale Fundament
Hier geht es darum, dass niemand ins Loch fällt. Das bedeutet, jeder Mensch sollte die Grundlagen für ein gutes Leben haben. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Gesundheit
  • Bildung
  • eine Wohnung
  • gerechte Behandlung
  •  

2. Die äußere Grenze (der Rand des Donuts): Die Grenzen unseres Planeten
Wir dürfen nicht über den äußeren Rand hinausgehen. Das bedeutet, wir dürfen die Erde nicht überlasten. Wir müssen die natürlichen Grenzen unseres Planeten respektieren, zum Beispiel:

  • das Klima schützen
  • Artenvielfalt erhalten
  • sauberes Wasser sichern
    •  

Ziel ist, dass wir alle im Donut bleiben. Alle Menschen sollen das Nötige zum Leben haben (also nicht ins Loch fallen), ohne dabei die Erde zu zerstören (also nicht über den Rand hinauszugehen).

Donut Ökonomie_Amsterdam

Foto: Amsterdam | von Kata Pal

Globale Vorreiter und das „Doughnut v3“-Update

Mehrere Faktoren haben die Entwicklung des Donut-Modells im Jahr 2025 beschleunigt, wobei Pionierstädte wie Amsterdam eine entscheidende Rolle spielen.

Pionierstädte als Vorbild

Amsterdam gilt weiterhin als das bekannteste Vorzeigeprojekt für die Anwendung des Donut-Prinzips. Die Stadt hat das Modell genutzt, um ihre Strategie für eine Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Strategy 2020-2025) zu gestalten. Das Ziel ist es, bis 2050 eine vollständig zirkuläre Stadt zu werden. Konkrete Projekte konzentrieren sich darauf, Stoffkreisläufe wie Lebensmittel und Textilien neu zu denken und regenerative (erneuernde) sowie distributive (verteilende) Ansätze in die städtische Infrastruktur zu integrieren.

Beispiele für die erfolgreiche Umsetzung in Amsterdam

Zirkuläre Nutzung von Ressourcen

Anstatt Bioabfälle zu verbrennen, werden sie sinnvoll wiederverwertet. Sie werden entweder in Biogas zur Energiegewinnung für Busse und Gebäude umgewandelt oder zu Kompost verarbeitet, der in den städtischen Parks zum Einsatz kommt.

Kurze Lieferketten

Die Stadt fördert gezielt urbane Landwirtschaft (z. B. Stadtgärten) und lokale Kooperationen. Dadurch gelangen gesunde und frische Lebensmittel direkt zu den Einwohnern, was die lokale Wirtschaft stärkt.

Lokale Arbeitsplätze

Initiativen zur Reparatur und zum Upcycling schaffen neue, lokale Arbeitsplätze in der Kreislaufwirtschaft. Diese sind oft stabiler und gerechter als Arbeitsplätze in der globalisierten "Fast-Fashion"-Industrie.

Modulares Bauen

Es wird der Bau von Gebäuden gefördert, die leicht demontierbar sind. So können ihre Bauteile später einfach wiederverwendet und in den Kreislauf zurückgeführt werden.

Bezahlbarer Wohnraum

Das Donut-Modell stellt sicher, dass neue Bauprojekte nicht nur ökologisch nachhaltig sind, sondern auch bezahlbaren und hochwertigen Wohnraum schaffen. Dies erfüllt die Anforderungen des sozialen Fundaments, also der inneren Grenze des Donuts.

Der wissenschaftliche Weckruf: Donut 3.0 beweist die globale Schieflage

2025 war ein entscheidendes Jahr für die Donut-Ökonomie. Kate Raworth und Andrew Fanning haben eine wichtige, aktualisierte globale Analyse in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Diese Studie verwandelt das Donut-Modell von einer statischen Momentaufnahme in einen dynamischen Monitor für das 21. Jahrhundert.

Die wichtigste Neuerung der 2025 veröffentlichten Studie mit dem Titel „Doughnut of social and planetary boundaries monitors a world out of balance“ ist die Einführung von Zeitreihen. Anstatt nur den Zustand der Welt zu einem einzigen Zeitpunkt zu zeigen, analysiert das Forscherteam nun die Entwicklung von 2000 bis 2022.

Die Analyse stützt sich auf 35 Indikatoren, die die 12 sozialen Dimensionen und die 9 planetaren Grenzen abbilden. So wird erstmals messbar, in welche Richtung sich die Welt bewegt: Kommen wir dem „sicheren und gerechten Raum“ des Donuts näher oder entfernen wir uns davon?

Kernergebnisse: Eine Welt aus dem Gleichgewicht

Die Ergebnisse der Studie sind alarmierend und bestätigen Ihre Aussage eindrücklich:

  • Soziale Fortschritte sind zu langsam: Obwohl es in einigen sozialen Bereichen, wie dem Zugang zu Elektrizität, Verbesserungen gab, ist der Fortschritt insgesamt viel zu langsam. Um die sozialen Mindeststandards für alle Menschen bis 2030 zu erreichen, müsste das Tempo sich etwa verfünffachen.
  • Ökologische Grenzen massiv überschritten: Gleichzeitig hat die Überschreitung der planetaren Grenzen dramatisch zugenommen. Im Untersuchungszeitraum, in dem sich das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) mehr als verdoppelte, wurden immer mehr ökologische Belastungsgrenzen überschritten. 2022 waren bereits mindestens sechs der neun Grenzen überschritten.
  • Wachstum entkoppelt von Wohlstand: Die Studie liefert den empirischen Beleg dafür, dass das Streben nach endlosem BIP-Wachstum die Welt vom Ziel eines „guten Lebens für alle innerhalb der planetaren Grenzen“ entfernt, anstatt sie näher dorthin zu bringen.

Ungleichheit als Treiber der Krise

Ein besonders wichtiger Aspekt der neuen Analyse ist die Aufschlüsselung der Daten nach Ländergruppen. Es zeigt sich eine massive globale Ungerechtigkeit:

  • Die reichsten 20 % der Länder sind für über 40 % der jährlichen Überschreitung der planetaren Grenzen verantwortlich, während sie gleichzeitig die geringsten sozialen Defizite aufweisen.
  • Die ärmsten 40 % der Länder hingegen leiden unter dem größten sozialen Mangel (über 60 %), tragen aber am wenigsten zur globalen ökologischen Zerstörung bei.

Die Schlussfolgerung von Raworth und Fanning ist daher eindeutig: Eine radikale Abkehr von der Fixierung auf das BIP-Wachstum ist unerlässlich. Stattdessen müssen regenerative und distributive Wirtschaftsmodelle in den Mittelpunkt rücken, die das menschliche Wohlergehen und die Stabilität des Planeten priorisieren.

Von Amsterdam bis München: Der Donut als lokaler Bauplan

Die wahre Revolution des Jahres 2025 fand auf der lokalen Ebene statt. Der Donut wird nicht als striktes Dogma, sondern als anpassbares „Werkzeug“ und konzeptioneller Kompass genutzt.

Ein gutes Beispiel für diesen Trend ist die Gründung des Vereins „Donut Munich e.V.“ in München im Jahr 2025. Das zeigt:

Donut Ökonomie_München

Foto: München | von Caner Cankisi

  1. Die Initiative kommt von unten: Es war nicht die Stadtverwaltung allein, sondern Bürger, Aktivisten und lokale Unternehmer, die sich zusammengetan haben.
  2. Konkrete Anwendung: Der Verein will das abstrakte Donut-Modell auf die spezifischen Herausforderungen Münchens übertragen. Das bedeutet: Wie können wir die Lebensqualität verbessern (soziales Fundament), ohne die Isar und die umliegende Natur zu stark zu belasten (ökologische Obergrenze)? Es geht darum, München wirklich regenerativ zu gestalten.

Der Donut im Globalen Süden: Kein Wachstum-Stopp, sondern kluges Wachstum

Die Donut-Ökonomie ist sehr flexibel. Das zeigt sich besonders in ihrer Anwendung in Ländern des Globalen Südens (oft als Entwicklungsländer bezeichnet).

In Deutschland oder den Niederlanden geht es beim Postwachstum primär darum, vom Überfluss wegzukommen, weil wir die ökologischen Grenzen massiv überschreiten. Im Globalen Süden ist die Situation aber anders: Viele Menschen haben noch nicht einmal das Soziale Fundament (z.B. Zugang zu sauberem Wasser, Bildung, Gesundheit) erreicht.

Die zweistufige Interpretation (World Economic Forum, 2025):

Stufe 1: Gerechte Wachstumsphase: Für diese Länder bedeutet der Donut zunächst, dass sie wachsen müssen, aber auf eine faire und saubere Art. Sie brauchen „Just Growth“ (gerechtes Wachstum), um die grundlegenden sozialen Bedürfnisse ihrer Bürger zu erfüllen, ohne dabei die Fehler der Industrienationen (massive Umweltverschmutzung) zu wiederholen.

Stufe 2: Stabilisierungsphase: Erst wenn das Soziale Fundament erreicht ist, verschiebt sich der Fokus. Dann geht es darum, die Wirtschaft auf eine Stabilisierung umzustellen, die sich auf das Gleichgewicht im Donut konzentriert.

Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, denn sie zeigt, dass die Donut-Ökonomie kein Verbot von Wachstum ist. Sie ist vielmehr ein Kompass, der jeder Region hilft, ihre individuellen Prioritäten zu setzen: Im reichen Norden heißt es „schrumpfen lernen“, im Globalen Süden heißt es „gerecht wachsen und dann stabilisieren“. Das macht das Modell weltweit anwendbar und politisch relevant.

Modell oft als „zweistufiger Prozess“ interpretiert

Zuerst eine gerechte Wachstumsphase zur Erreichung des Sozialen Fundaments, gefolgt von einer Stabilisierungsphase [World Economic Forum, 2025]. Dies zeigt die Flexibilität des Modells, auf unterschiedliche Entwicklungssituationen einzugehen.

Postwachstum als Design-Aufgabe

Die lokale politische Adaption des Donut signalisiert eine pragmatische Verschiebung in der Wirtschaftspolitik: Statt auf die langsame und oft polarisierende Debatte um eine nationale „Degrowth“-Strategie zu warten, können Kommunen jetzt handeln.

Kate Raworth wurde 2025 dafür mit dem German Design Award 2025 als „Personality of the Year“ ausgezeichnet. Die Jury würdigte damit ihren Beitrag, aus der Theorie Praxis werden zu lassen. Sie betonte, dass die Ökonomie eine Designaufgabe sei: „Wenn wir verstehen, dass Prozesse und Systeme entworfen sind, dann erkennen wir auch, dass wir sie neu gestalten können.“

Die „Doughnut Economics“ bietet damit eine konkrete Handlungsanweisung auf lokaler Ebene: weg von der fixen Idee des unendlichen Wachstums, hin zu einem regenerativen (Ressourcen wiederherstellenden) und distributiven (gerecht verteilenden) Wirtschaftsmodell, das auf lokale Bedingungen zugeschnitten werden kann. Dieser lokal verankerte Postwachstumsansatz wird somit 2025 zu einem weltweit wichtigen Katalysator für eine gerechtere und ökologisch nachhaltigere Zukunft.

Im Jahr 2025 hat die „Doughnut Economics“ bewiesen, dass ein Postwachstumsansatz nicht gleichbedeutend mit Verzicht oder Rückschritt ist. Er ist der pragmatische Bauplan für eine erfolgreiche, resiliente und vor allem lebenswerte Zukunft. Die Kommunen haben das Zepter in die Hand genommen – und der Donut leuchtet ihnen den Weg.

Übersicht: Lokale Umsetzung in Deutschland und Europa

Akteur

Rolle 2025

Fokus und Strategie

Brüssel & Kopenhagen

Etablierte europäische DE-Städte.

Sie sind wichtige Beispiele dafür, wie der Donut als Orientierungsrahmen für die gesamte Stadtentwicklung (z.B. in den Bereichen Bauen und Mobilität) dienen kann. Sie beweisen, dass große europäische Hauptstädte Postwachstumsansätze erfolgreich in ihre strategische Planung integrieren können.

Swiss Donut Economics Network

Regionale Verankerung im deutschsprachigen Raum.

Dieses Netzwerk intensivierte 2025 seine Bemühungen, das DE-Konzept in der Schweiz zu verbreiten („den Donut in die Schweiz, und die Schweiz in den Donut zu bringen„). Es organisiert Treffen und fördert den Austausch, um die nationale Relevanz der DE-Theorie zu stärken. Diese bottom-up Organisation ist typisch für die Verbreitung der DE-Idee, die stark auf die Eigeninitiative lokaler Akteure setzt.

Krefeld & Bad Nauheim

Deutsche Pilotkommunen für die DE-Umsetzung.

Diese Städte waren an Studien zur „Donut-Ökonomie als strategischer Kompass“ beteiligt [Quelle: Verweis auf frühe Studien/Artikel, z.B. PD – Berater der öffentlichen Hand]. Ihr Fokus lag auf der Entwicklung von konkreten lokalen Indikatoren, die sowohl soziale Defizite als auch ökologische Überschreitungen innerhalb der kommunalen Grenzen messen. Dies war ein entscheidender Schritt, um das abstrakte globale Modell auf die Verwaltungsebene herunterzubrechen.

Donut Munich e.V.

Zivilgesellschaftliche Verankerung und Multiplikation.

Gegründet im Jahr 2025, ist dieser Verein ein Beispiel für die zunehmende zivilgesellschaftliche Mobilisierung. Er zielt darauf ab, das DE-Konzept aktiv auf die Stadt München anzuwenden. Die Gründung von solchen Vereinen signalisiert, dass die DE-Ideen über die Verwaltung hinaus in der Bevölkerung und in der lokalen Wirtschaft Unterstützung finden, um eine „regenerative Stadt“ zu gestalten.

DEAL-Netzwerk

Globale Vernetzung und Wissenstransfer.

DEAL stellt Open-Source-Tools und Anleitungen bereit, um Städte, Regionen, Unternehmen und Gemeinschaften zu befähigen, den Donut auf ihren jeweiligen Kontext anzuwenden. Es ist die zentrale Anlaufstelle für die wachsende Zahl von DEAL-Cities and Regions.

DEAL-Cities

Praktische Implementierung des DE-Rahmens.

Diese Städte (z.B. Amsterdam, Brüssel) sind die Pioniere, die den Donut als strategischen Kompass für die Stadtentwicklung nutzen, indem sie messbare Indikatoren für ihre ökologischen Grenzen und sozialen Fundamente entwickeln. Sie sind für andere Kommunen die wichtigste Quelle für Best Practices.

 

Titelfoto von Karola G

Quellen:

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