Revolution in der Kardiologie: Wie deutsche Forscher mit 3D-Analysen dem Herztod zuvorkommen

Durchbruch in der Herz-Diagnostik: Deutsche Forscher haben neuartige 3D-Analysen entwickelt, die tödliche Herzprobleme frühzeitig erkennen können. Die Technologie ermöglicht erstmals, die genaue Zusammensetzung gefährlicher Plaques sichtbar zu machen, bevor sie einen Infarkt auslösen.

Die Kardiologie steht möglicherweise vor einem Paradigmenwechsel. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit Todesursache Nummer eins, und der plötzliche Herztod oder ein unerwarteter Herzinfarkt treffen oft Patienten, die sich zuvor in Sicherheit wähnten. Das Kernproblem: Herkömmliche Diagnosemethoden erkennen zwar Verengungen der Herzkranzgefäße, können aber oft nur unzureichend vorhersagen, welche dieser Verengungen (Plaques) tatsächlich lebensbedrohlich sind.

Forscher in Deutschland haben nun neuartige 3D-Analyseverfahren entwickelt, die genau hier ansetzen. Sie ermöglichen einen tiefen Einblick in die Struktur des Herzens und seiner Gefäße, um das Risiko tödlicher Ereignisse präzise und frühzeitig zu identifizieren.

Das Problem: Die instabile Plaque

Lange Zeit konzentrierte sich die Herzmedizin auf den Grad der Stenose, also wie stark ein Herzkranzgefäß verengt ist. Ein Patient mit 90%iger Verengung galt als hochgefährdet, einer mit 30%iger als weniger gefährdet.

Die moderne Forschung zeigt jedoch: Nicht das Ausmaß der Verengung ist entscheidend, sondern die Zusammensetzung der Plaque. Viele tödliche Herzinfarkte werden durch sogenannte „instabile“ oder „vulnerable“ Plaques ausgelöst, die oft nur geringfügige Verengungen verursachen. Diese Plaques haben eine dünne Kappe und einen großen, fetthaltigen (lipidreichen) Kern. Reißt diese dünne Kappe auf (Plaqueruptur), kommt das Blut mit dem hochthrombogenen Kern in Kontakt, und es bildet sich schlagartig ein Blutgerinnsel (Thrombus), das das Gefäß komplett verschließt.

3D-Analysen Kardiologie

Hoffnung auf 3D-Analysen in der Kardiologie | Foto von Kenny Eliason auf Unsplash

Bisherige Methoden wie die konventionelle Computertomographie (CT) oder der Herzkatheter konnten diese gefährlichen „High-Risk-Plaques“ nur schwer von stabilen, verkalkten Ablagerungen unterscheiden.

Der Durchbruch: 3D-Analyse mittels Photon-Counting-CT

Ein signifikanter Durchbruch gelang Forscherteams, insbesondere am LMU Klinikum München in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK). Sie setzen auf eine revolutionäre Technologie: die Photon-Counting-Computertomographie (PCCT).

Im Gegensatz zu herkömmlichen CT-Scannern, die Röntgenstrahlen nur in ihrer Gesamtheit messen, kann der Photon-Counting-Detektor einzelne Photonen und deren spezifisches Energieniveau „zählen“.

Die Vorteile dieser 3D-Analyse sind enorm:

Höhere Auflösung:

Das PCCT liefert gestochen scharfe 3D-Bilder der Herzkranzgefäße in einer Auflösung, die zuvor undenkbar war. Selbst kleinste Strukturen werden sichtbar.

Material-Differenzierung

Durch die Analyse der unterschiedlichen Energieniveaus kann das System die genaue Zusammensetzung der Plaque bestimmen. Es kann präzise zwischen harmlosem Kalk, fibrotischem Gewebe und dem gefährlichen lipidreichen Kern unterscheiden.

Früherkennung

Ärzte können nun in 3D sehen, ob ein Patient eine High-Risk-Plaque trägt, lange bevor diese aufreißt und einen Infarkt auslöst.

Studien, wie sie von der Münchner Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Konstantin Nikolaou (Klinik für Radiologie am LMU Klinikum) durchgeführt wurden, belegen, dass das PCCT die gefährlichen Plaques signifikant besser identifizieren kann als alle bisherigen nicht-invasiven Verfahren.

Zweiter Ansatz: 3D-Modelle gegen den plötzlichen Herztod

Ein zweiter innovativer Forschungsstrang, der ebenfalls in Deutschland (z.B. am Universitätsklinikum Heidelberg oder an der Charité in Berlin) verfolgt wird, fokussiert sich auf den Herzmuskel selbst, um den plötzlichen Herztod durch Herzrhythmusstörungen vorherzusagen.

Der plötzliche Herztod wird oft durch chaotische elektrische Signale im Herzen ausgelöst, die häufig von feinen Narben (Fibrosen) im Herzmuskel ausgehen.

Die 3D-Analyse in diesem Kontext:

Mittels hochauflösender Magnetresonanztomographie (MRT) werden detaillierte 3D-Bilder des Herzmuskels erstellt.

Spezielle Algorithmen (oft gestützt durch Künstliche Intelligenz) analysieren die genaue 3D-Architektur dieser Fibrosen.

Forscher können so die exakte Lage und Struktur der Narben kartieren, die als "Trigger" für die Rhythmusstörungen fungieren.

Dieses Verfahren ermöglicht eine weitaus präzisere Risikobewertung als bisherige Methoden (wie z.B. die Messung der allgemeinen Pumpleistung). Es identifiziert Patienten, die wirklich von einem implantierbaren Defibrillator (ICD) profitieren, und erspart anderen einen unnötigen Eingriff.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Entwicklungen in der deutschen Forschungslandschaft markieren einen Wandel von einer reaktiven zu einer prädiktiven Kardiologie. Anstatt nur Verengungen zu messen, analysieren Ärzte nun die biologische „Aktivität“ und strukturelle Gefährlichkeit von Plaques und Herzmuskelveränderungen.

Diese neuen 3D-Analysemethoden haben das Potenzial, Tausende Leben zu retten. Sie ermöglichen eine personalisierte Risikobewertung und eine gezielte Therapie, bevor das tödliche Ereignis eintritt.

Titelbild von Tara Winstead

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